Spondylarthropathie
Passende Episode aus "Aktuelles aus der Rheumatologie"
In meinem Podcast diskutiere ich mit Dr. Christian Maté über die neuesten Entwicklungen in der Rheumatologie.
Was ist eine Spondylarthropathie?
Spondylarthropathien oder auch Spondylarthritiden (die „versteifende Form wurde früher auch Morbus Bechterew genannt) sind entzündlich rheumatische Erkrankungen, die vor allem das aus Wirbelsäule und Becken bestehende Achsenskelett betreffen. Durch einen chronisch-entzündlichen Prozess kommt es zu tiefsitzenden Schmerzen im Bereich der Kreuzdarmgelenke (Sacroiliacalgelenke) ein- oder beidseitig, oft auch wechselnd und/oder im Bereich der kleinen Wirbelgelenke, das sich als Schmerzen in unterschiedlichen Bereichen der Wirbelsäule äußert. Ab und zu führt die Entzündung auch zur Knochenneubildung und in weiterer Folge kann es dadurch zu einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Versteifung der Wirbelsäule kommen. Aber auch andere Gelenke wie etwa das Hüft- und Kniegelenk können von der Gelenksentzündung betroffen sein. Zusätzlich treten bei Spondylarthropathiepatient*innen vermehrt immunologisch bedingte Augenentzündungen als auch entzündliche Darmerkrankungen auf.
Der Morbus Bechterew wird auch Spondylitis ankylosans genannt, was „versteifende Wirbelentzündung“ bedeutet und betrifft 5-30% aller Spondylarthropathie Betroffenen. Wichtig ist hier festzuhalten, dass die Diagnose Spondylarthropathie nicht gleichbedeutend mit „sicher zur Versteifung führend“ gleichgesetzt wird, sondern sogar umgekehrt, dass ein Großteil niemals versteifen wird.
Ursachen der Erkrankung
Die genaue Ursache des Morbus Bechterew ist nach wie vor unbekannt. Zwar ist erwiesen, dass die Genetik bei der Entstehung eine Rolle spielt- so sind bei mehr als 90 Prozent der Spondyloarthropathie-Betroffenen das Gen HLA-B27 nachweisbar. Damit die Krankheit aber ausbricht, müssen zusätzliche –bisher unbekannte - Faktoren auftreten.
Für Träger des Gens HLA-B27, in deren direkter Verwandtschaft keine Spondyloarthropathie Erkrankten vorliegen, besteht nur ein geringes Erkrankungsrisiko von sechs bis acht Prozent an einer Spondyloarthropathie zu erkranken. Gibt es allerdings in der Verwandtschaft eines HLA-B27-Trägers Patient*innen mit Spondyloarthropathie, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, ebenfalls daran zu erkranken.
Diagnose von Spondyloarthropathie
Die Krankheit beginnt meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr, mit einem Verteilungsgipfel um das 26. Lebensjahr. Sie kann aber auch schon in der Pubertät und davor auftreten (juvenile Spondyloarthropathie). Als erstes Symptom macht sich in der Regel ein tief sitzender Rückenschmerz bemerkbar, der vor allem in der zweiten Nachthälfte bzw. in den frühen Morgenstunden auftritt. Er wird durch eine Entzündung in den Kreuz-Darmbein-Gelenken und/oder der Wirbelsäule verursacht und kann die Nachtruhe massiv beeinträchtigen. Charakteristisch für diese Rückenschmerzen ist, dass sie bei Bewegung häufig besser werden.
Beim klassischen Verlauf der Spondyloarthropathien befällt die Entzündung – und damit auch der Schmerz – die verschiedenen Wirbelsäulen-Abschnitte. Dabei ist der zeitliche Ablauf unterschiedlich und kann sich über viele Jahre erstrecken.
Im fortgeschrittenen Stadium kann es durch die Versteifung der Wirbelsäule und die damit verbundene Minderbelastung auch zu einer Abnahme der Knochendichte kommen.
Weitere typische Symptome sind Schmerzen an Sehnen- und Muskelansatzstellen, wie z.B. dem Ansatz der Achillessehne am Fersenbein. Gelegentlich kommt es zur Entzündung einzelner Gelenke, wobei hier vorwiegend die großen Gelenke der unteren Extremitäten betroffen sind.
Abgesehen vom Bewegungsapparat können auch noch Entzündungen im Bereich der Augen und entzündliche Darmerkrankungen auftreten.
Entscheidend für die Diagnose ist neben der Anamnese und klinischen Untersuchung die Durchführung einer Bildgebung - vor allem einer Magnetresonanztomographie. Das Röntgenbild der Kreuz-Darmbein-Gelenke kann charakteristische Veränderungen durch die Entzündung abbilden, allerdings befindet sich die Krankheit dann nicht mehr in einem Frühstadium. Mit Hilfe der Magnetresonanztomographie hingegen werden die entzündlichen Veränderungen bereits in früheren Stadien der Erkrankung erkennbar.
Die Pfeile zeigen die Entzündung des Kreuzdarmgelenkes bzw. das sogenannte Knochenmarksödem im Rahmen der Entzündung.
Patient*innen, bei denen der Verdacht auf Spondyloarthropathie besteht, werden auch auf das Gen HLA-B27 getestet. Ein positiver Befund gilt aber nur als Hinweis, ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einer definitiven Diagnose, da HLA-B27 auch bei vielen Menschen ohne diese Erkrankung vorkommt. Neben einer Vielzahl anderer Laborparameter ist vor allem der Entzündungswert CRP von Bedeutung.
Behandlung von Spondyloarthropathien
Die Behandlung der Spondyloarthropathien besteht aus mehreren Säulen:
Medikamentöse Therapie
Als erste Therapie nach der Diagnose kommen kortisonfreie Antirheumatika (NSAR) zum Einsatz. Ihre Anwendung kann entweder in den Schmerzphasen oder als Dauertherapie erfolgen. NSAR bekämpfen den Entzündungsprozess und lindern die Schmerzen.
Verbessern sich die Symptome trotz ausreichender Gabe von NSAR nicht, stehen mit den sogenannten Biologika (TNF-alpha-Blocker, Interleukin-17-Antagonisten) weitere immunmodulierende Medikamente zur Verfügung. Biologika blockieren entzündungsfördende Botenstoffe und greifen somit direkt in den Entzündungsprozess ein. Ihre Anwendung unterliegt aber sowohl aus Sicherheits- wie auch aus Kostengründen bestimmten Auflagen (Nichtansprechen oder nicht ausreichendes Ansprechen auf NSAR, hohe Krankheitsaktivität, Ausschluss von Infektionen etc.).
Die Anwendung der Biologika erfolgt entweder als Infusion oder als Injektion unter die Haut, je nach Präparat entweder einmal wöchentlich oder alle zwei bzw. vier Wochen.
Zuletzt wurden auch Vertreter aus der Gruppe der „small molecules“ zur Behandlung zugelassen. Es handelt sich dabei um eine neue Medikamentengruppe, die ebenfalls in das Entzündungsgeschehen, aber an einer anderen Stelle der Prozesse, gezielt eingreift. Anders als die Biologika können diese Substanzen als Filmtabletten eingenommen werden. Bisher vorliegende Studienergebnisse zeigen für die „small molecules“ im Vergleich zu Biologika ähnliche Wirksamkeits- und Verträglichkeitsprofile. Bezüglich der Sicherheit gibt es allerdings von Seiten der europäischen und amerikanischen Zulassungsbehörden berechtigte Bedenken (siehe small molecules und JAK-Inbibitoren bei rheumatoider Arthritis).
Bewegungstherapie
Für Spondyloarthropathie-Patienten*innen wurde eine eigene Gymnastik entwickelt, welche die Patient*innen regelmäßig durchführen sollen. Sie ist ein wichtiger Teil der Therapie und sollte zumindest einmal täglich über 20 Minuten durchgeführt werden.
Prognose
Trotz der guten medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten ist eine völlige Heilung der Spondyloarthropathie bis heute noch nicht erreicht worden, doch erlauben frühe Diagnose und konsequente Therapie eine generell günstige Prognose.
Was kann man als Betroffene/r selbst beitragen?
Rauchen einstellen: ganz wichtig ist, dass Sie im Falle, dass Sie Raucher/Raucherin sind dies unmittelbar komplett einstellen, da Rauchen insbesonders bei Versteifung der kleinen Wirbelgelenke im Bereich der Brustwirbelsäule eine mögliche Einschränkung des Atemvolumens ursächlich verstärken kann und eine Reihe von potentiellen Komplikationen wie das vermehrte Auftreten von Herzinfarkten und Schlaganfällen weiter erhöht.
Ein „genaues Hinsehen“ auf Ihre Cholesterinwerte ist bei dieser Erkrankung ebenso von Bedeutung wie eine gute Blutdruckeinstellung und eine Überprüfung Ihres Risikos für das Auftreten von Osteoporose.
Ein „gesunder Lebensstil“ ist da sehr wichtig!
Was auf keinen Fall gegeben bzw. gemacht werden soll
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Die Gabe von Kortison zur Schmerzbehandlung
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Die Verordnung einer sogenannten Basistherapie ohne dass eine Schwellung/Entzündung der großen Gelenke wie Hüft- oder Kniegelenk vorliegt.
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Der sofortige Beginn mit einem Biologikum noch vor einem Therapieversuch mit NSAR
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Jegliche Therapie bei Vorliegen des Genmarkers HLA-B27 ohne Beschwerden.
Zum Schluss die gute Nachricht
Die moderne Rheumatherapie ermöglicht in der großen Mehrzahl der Betroffenen ein völlig normales Leben ohne jegliche Einschränkung. Machen Sie Sport, rauchen Sie nicht und lassen Sie sich von der Erkrankung nicht einschränken.